Meldungen aus dem Bezirksverband Unterfranken
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Hort der Stille 70 Jahre in Würzburger Obhut

Am 9. Mai 1954 übergab der Volksbund die neu gestaltete Kriegsgräberstätte an die Stadt

Die Kriegsgräberstätte auf dem Würzburger Hauptfriedhof: Nach Umbettungen und Neugestaltung übergab der Volksbund am 9. Mai 1954 das 2700 Quadratmeter große Gräberfeld an die Stadt. Oliver Bauer / Volksbund

Mit einem Gedenkkonzert am Vorabend in der Residenz und einer feierlichen Zeremonie auf dem Hauptfriedhof übergibt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge am 8. und 9. Mai 1954 die neu gestaltete Kriegsgräberstätte in die Obhut der Stadt Würzburg. Die Übergabe jährt sich am diesjährigen Himmelfahrtstag, zugleich auch Europatag, zum 70. Mal.

Genau neun Jahre liegt das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa zurück: In der Residenz erklingen am Abend des 8. Mai 1954 Werke im Ersten und Zweiten Weltkrieg gefallener oder vermisster Komponisten. Unter den aufgeführten Werken ist auch eines von Philipp Kunz. Der junge Würzburger Domorganist fällt kaum 30-jährig am 27. März 1945 in Gdansk (Danzig). Am Sonntag, 9. Mai, schließt sich die Einweihung und Übergabe der Kriegsgräberstätte  an. Hunderte Menschen versammeln sich auf dem Areal, das im Ersten Weltkrieg als „Heldenfriedhof“ angelegt worden war. Mütter und Witwen stehen an den Gräbern ihrer Söhne und Ehemänner – der 9. Mai ist „Muttertag“.

Würzburgs Oberbürgermeister Dr. Stadelmayer verspricht, dass die „ganze Bevölkerung diese Stätte mit aller Liebe im Gedenken an die Toten pflegen werde“, berichtet die Main-Post tags darauf und erwähnt besonders die Teilnahme zahlreicher Angehöriger, „die aus der Ostzone zum Grabbesuch nach Würzburg gekommen waren.“ Seitens des Volksbundes ergreift der Bezirksvorsitzende, Regierungsdirektor Dr. Hans Weber, das Wort. Mit der Einweihung und Übergabe der Kriegsgräberstätte schließt sich eine der Wunden, die der Zweite Weltkrieg und insbesondere der zerstörerische Bombenangriff am 16. März 1945 gerissen hat.

Umbettungen ab 1951

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und die Stadt Würzburg korrespondieren 1948/49 regelmäßig. Eine Zeitungsnotiz des Flensburger Tagblatts, in der das Sammelgrab für die Opfer des 16. März mit einem „Kriegerfriedhof in Polen“ verglichen wird, sorgt bei der Stadt Würzburg für Verstimmung und beim Volksbund für Nachfragen. Im Zuge von Briefwechseln und Ortsterminen gerät auch der „Heldenfriedhof“ des Ersten Weltkriegs  in den Blickpunkt, von dessen Eichenholzkreuzen viele mosch geworden sind. Etwa 50 Tote des Zweiten Weltkriegs sind dort ebenfalls bestattet. Weitere liegen in zwei Abteilungen des Hauptfriedhofs und in einem Sammelgrab in Heidingsfeld.

1951 beginnt der Volksbund mit der Umbettung von Kriegstoten auf die etwa 2700 Quadratmeter große Fläche des Heldenfriedhofs. Neben den Umbettungen auf dem Gelände des Hauptfriedhofs und aus Heidingsfeld sind Mitarbeiter des Volksbundes in 51 unterfränkischen Gemeinden, um aus Feldgräbern und Einzelgräbern auf Friedhöfen die Gebeine der Kriegstoten zu bergen und nach Würzburg zu bringen. Während dieser Umbettungsarbeiten werden 129 zunächst als unbekannt bestattete Kriegstote identifiziert. Zusammen mit 183 Opfern der Bombardierung Würzburgs und den 441 Toten aus der Zeit des Ersten Weltkriegs summiert sich die Zahl der auf dem Hauptfriedhof ruhenden Kriegstoten auf beinahe 1900.

Der frühere Würzburger Regierungsbaudirektor und nunmehr als freier Architekt arbeitende Hubert Groß und der Kostanzer Gartenarchitekt Richard Lesser kümmern sich nach Abschluss der Umbettungsarbeiten Anfang 1952 um die Gestaltung der Kriegsgräberstätte. Unmittelbar am Eingang von der Siligmüllerstraße entsteht eine Gedächtniskapelle, die dem Heiligen Michael gewidmet ist. Im Innenraum finden finden sich Widmung, Namenstafeln und ein kunstvolles Emaillebild des Heiligen. Außen erinnert ein Relief an das Schicksal der Heimatvertriebenen.  Ein überdachtes Holzkreuz gibt der Kriegsgräberstätte die christliche Weihe.

Seminarpreis für Schulprojekt

Schüler und Schülerinnen des Würzburger Friedrich-Koenig-Gymnasiums haben im Zuge eines P-Seminars die Geschichte der Kriegsgräberstätte und dort ruhender Kriegstoter erforscht.  Die Spannbreite reicht von zivilen Opfern der Bombardierung Würzburgs bis zu einem Wehrmachtsgeneral und Soldaten, die in den letzten Tagen und Wochen des Zweiten Weltkriegs ihr Leben verloren. Das Ergebnis der P-Seminararbeit wurde im Februar mit einem der drei unterfränkischen P-Seminarpreise ausgezeichnet. Die Arbeit der Schüler und Schülerinnen bildet das inhaltliche Fundament für drei Geschichts- und Erinnerungstafeln, die der Volksbund an der Kriegsgräberstätte auf dem Hauptfriedhof aufstellen will.

Sie soll Besuchern beim Betreten dieses Horts der Stille zeitgemäß vermitteln, welche Folgen Krieg und Gewaltherrschaft haben und welche Schicksale sich hinter den Namen auf den kleinen Tafeln vergeben. Ein Blumenschmuck hier, eine Grabkerze oder ein kleiner Kranz dort zeigen: Vergessen sind die auf dem Hauptfriedhof ruhenden Toten nicht vollends.