Meldungen aus dem Bezirksverband Unterfranken
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Jahrestag in Wildflecken und Hammelburg

Drei bedeutende Kriegsgräberstätten seit 45 Jahren in der Obhut des Landkreises Bad Kissingen - Rückblick auf bewegte und bewegende Geschichten

Kranzniederlegung auf den Höhen der Rhön: Die feierliche Übergabe der Kriegsgräberstätte Wildflecken an den Landkreis Bad Kissingen. Gert Soltau / Volksbund

Auf den Tag genau seit 45 Jahren trägt der Landkreis Bad Kissingen am Samstag, 3. Juli, die Obhut für die Kriegsgräberstätten Am Felschen und Hundsfelder Straße in Hammelburg sowie den sogenannten „Polenfriedhof“ in Wildflecken. Mit zwei Feierstunden und Kranzniederlegungen in Hammelburg und Wildflecken wurde 1976 die Übergabe offiziell besiegelt. Repräsentanten der bayerischen Staatsregierung, des Landtags, des Landkreises und der Kommunen, diplomatische Vertreter der Sowjetunion und Jugoslawiens und auch Fahnenabordnungen der Soldatenkameradschaften und Kriegervereine gaben den beiden Feierstunden einen würdigen Rahmen. Volksbund-Landesvorsitzender Ministerialdirektor a.D. Ludwig Hopfner betonte die „versöhnende Kraft, die von den Gräbern der Kriegsopfer auf uns einwirkt“. Nirgends sei der Wunsch für ein friedfertiges Miteinander stärker spürbar als auf den Gräberfeldern des Krieges.

„Sich an die Opfer von Gewalt zu erinnern und ihr Gedenken zu bewahren ist auch heute noch unsere Pflicht. Nur wenn wir die Vergangenheit kennen und uns damit auseinandersetzen, können wir die Zukunft gestalten“, sagt Bad Kissingens Landrat Thomas Bold angesichts des Jahrestags der Übergabe der drei Kriegsgräberstätten an den Landkreis. Das Vergangene könne man nicht ungeschehen machen, wohl aber daraus lernen und kommende Generationen für das Thema sensibilisieren in der Hoffnung, dass sich die Verbrechen nicht wiederholen, so Bold, der stellvertretender Vorsitzender der Kriegsgräberfürsorge in Unterfranken ist.

Der Friedhof „Am Felschen“ am Lager Hammelburg hat eine Größe von rund 10.600 Quadratmetern, der kleinere Friedhof umfasst 1.500 Quadratmeter und der „Polenfriedhof“ ist 3.200 Quadratmeter groß. Rund 350 Arbeitsstunden jährlich wenden die Landkreis-Gärtner Dominik Reichert, Stefan Mährlein und Baumkontrolleur Florian Reuscher für die Pflege der Friedhöfe auf.

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge hatte vor der Übergabe 1976 die Anlagen grundlegend neu gestaltet, so wie sie sich auch heute noch den Besuchern präsentieren. Jede der Kriegsgräberstätten ist ein dauerhaftes Zeugnis der Folgen von Krieg und Gewaltherrschaft. Alle drei Kriegsgräberstätten geben Zeugnisse einer bewegten und bewegenden Geschichte – jede in einer ganz eigenen Charakteristik.

Die Kriegsgräberstätte Am Felschen (früher auch: Am Fels’chen) ist die größte in ganz Unterfranken. 2987 Soldaten der Roten Armee, die während des Zweiten Weltkrieges als Gefangene nach Hammelburg und Unterfranken gekommen waren, ruhen hier. 44 russische Kriegsgefangene aus dem Ersten Weltkrieg liegen ebenfalls hier, sodass die Belegung insgesamt 3031 Tote beträgt. Namenskennzeichnungen finden sich nur an den Gräbern der 427 sowjetischen Toten, die in 1960er Jahren vom Volksbund aus 76 bayerischen Städten und Gemeinden nach Hammelburg umgebettet wurden. Die meisten Toten auf der Anlage sind namenlos bestattet, da die Gräberlisten aus der Zeit des Kriegsgefangenenlagers als verschollen gelten.

Gleichwohl sind viele Namen bekannt: Die Dresdner Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten hat 700 verstorbene Gefangene identifiziert – die in einem 2002 vom Volksbund veröffentlichten Gedenkbuch teilweise auch mit Bild veröffentlicht sind. Die Liste der Identifizierten ist durch weitere Recherchen auf rund 1400 Namen angewachsen. Das Gedenkbuch gibt auch Auskunft über die Entstehung des Friedhofs: Im Juli 1941, vier Wochen nach Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion, trafen die ersten 1200 gefangenen sowjetischen Offiziere in Hammelburg ein. Im August wuchs die Zahl bereits auf 4800 und lag Anfang Dezember bei 5140. Zu dieser Zeit fand auch die erste Beerdigung auf dem „neuen Friedhof“ statt. Der Name ist bekannt: Michail Petrowitsch Potanin, gestorben am 5. Dezember 1941.

Bis dahin waren im Lager bereits zahlreiche sowjetische Offiziere gestorben, die auf dem Friedhof an der Hundsfelder Straße beigesetzt wurden. Die kleinere der beiden Kriegsgräberstätten war während des Ersten Weltkriegs angelegt worden. Die hier bestatteten Franzosen, Briten und Italiener waren nach Kriegsende exhumiert und von den jeweiligen Gräberdiensten in ihre Heimatländer überführt worden, während die verstorbenen serbischen und russischen Kriegsgefangenen hier blieben. Zusammen mit polnischen, tschechischen, jugoslawischen und sowjetischen Gefangenen des Zweiten Weltkriegs summiert sich die Zahl der an der Hundsfelder Straße liegenden Kriegstoten bei 273.

Nach Kriegsende blieben beide Friedhöfe über mehrere Jahre verwaist, bis der amerikanische Gouverneur 1948 die Fürsorge dem Landkreis Hammelburg übertrug. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge unterstützte den Landkreis bei dieser Arbeit. Die natürliche Lage der beiden Friedhöfe erschwerte die Pflege zunehmend, sodass der Volksbund eine dauerhafte Gestaltung beider Anlagen anstrebte, die auch vom Landratsamt Hammelburg befürwortet wurde. Diese erfolgte 1974/75 im Einvernehmen mit dem im Zuge der Gebietsreform entstandenen Landkreis Bad Kissingen.

Ein ganz anderes Kapitel des Zweiten Weltkrieges und seiner Folgen ruft die Kriegsgräberstätte in Wildflecken in Erinnerung: 428 Kinder und 116 Erwachsene wurden am Ostrand des Truppenübungsplatzes zwischen 1945 und 1951 bestattet. Ihre Gräber erinnern an das Schicksal der sogenannten „Displaced Persons“ und das Durchgangslager, das bis 1951 dort bestand. Unter den teils sehr schlechten Lebensbedingungen litten insbesondere die schwächsten – die ab 1946 im Lager geborenen Kinder, von denen viele oft nur wenige Tage oder Wochen nach ihrer Geburt beispielsweise an Hirnhautentzündung verstarben und auf dem von der polnischen Lagerselbstverwaltung angelegten Friedhof bestattet wurden.

Bis zu 20.000, größtenteils aus Polen stammende ehemalige Zwangsarbeiter und Verschleppte, sollen sich zeitweise in dem UNRRA-Lager aufgehalten haben. Ziel der United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) war es, den DPs Unterkunft, Versorgung und Arbeit zu bieten und im weiteren die Repatriierung und Wiedereingliederung in den Heimatländern zu fördern. An ihre Stelle trat 1947 die International Refugee Organization (IRO), die den Polen sukzessive die Auswanderung nach Amerika, Kanada, Australien, aber auch Südamerika und Westeuropa ermöglichte.

Nach Auflösung des Durchgangslagers wurde der Friedhof noch einige Jahre von deutschen Hilfskräften des von den US-Streitkräften genutzten Truppenübungsplatzes gepflegt, aber die Anlage verwilderte in den 1960er Jahren zusehends. Die inzwischen zuständige Gemeinde Neuwildflecken richtete 1967 einen Hilferuf ans Landratsamt Bad Brückenau. Die für die Pflege des Friedhofes zur Verfügung stehenden Mittel (damals 1920 DM pro Jahr) reichten demnach gerade, den Wildwuchs zu entfernen und etwas Blumenschmuck anzuschaffen.

1968 begann die Umgestaltung des Friedhofs. Pioniere der Bundeswehr beseitigten den störenden Baumbestand, und Jugendliche aus Frankreich und Deutschland bereiteten als Teilnehmer eines Volksbund-Jugendlagers das Gelände für die Neuanlage des Friedhofs vor. Diese wurde nach den Plänen des Münchener Architekten Max Remer realisiert.  Die künstlerische Ausgestaltung der kleinen Rundkapelle erfolgte durch Mieczyslaw Wejman, den Direktor der Kunstakademie Krakau. Die Gebeine der toten Kinder wurden in einem großen Gemeinschaftsgrab bestattet, die der erwachsenen Opfer in mehreren Sammelgräbern.

Den Weg vom Parkplatz hinauf zum Friedhof säumt der „Kreuzweg der Nationen“, auf den Stelen entlang des knapp 1,5 Kilometer langen Fußweges finden sich Zahlen zu den Todesopfern der beiden Weltkriege und der daran beteiligten Nationen. „Im Krieg ist kein Heil, um Frieden bitte wir alle“, gibt der römische Dichter Vergil den Besuchern auf dem Weg zum Friedhof mit. Seit 2017 sind der Friedhof und der Kreuzweg eingebettet in einen Rundwanderweg. Mit Mitteln aus dem Förderprogramm LEADER wurde der Weg ausgeschildert. Für Besucher gibt es im Rathaus Wildflecken (Startpunkt des Wanderweges) Info-Flyer, die auch in englischer, französischer, russischer und vor allem polnischer Sprache aufgelegt wurden.